In meinem ersten
Blog-Eintrag ging es um etwas, was mein Leben seit Jahren in hohem
Maße bereichert. In diesem Eintrag wird es um etwas gehen, was mich
seit vielen Jahren, jeden Tag begleitet.
Auch hier wieder eine
Kleinigkeit vorweg: Dieser Beitrag richtet sich an keine bestimmte
Personengruppe. Er gibt meine Gedanken zu einem Thema wieder, das
vielleicht einige von euch nachvollziehen können, weil es ihnen
selbst so geht: Verlustangst.
Ob ihr ihn lesen möchtet,
er euch interessiert auch nicht, liegt ganz allein bei euch.
"Bist du noch da, wenn ich morgen wach werde?"
Jeder Mensch auf der Welt
hat Ängste. Das ist völlig normal. Ängste sind dazu da, uns von
potentiellen Gefahren fern zu halten, uns zu beschützen, uns Fehler
nicht noch einmal machen zu lassen. Genau wie ihre physischen, großen
Brüder: Schmerzen.
Eine Angst – die, über
die ich hier und heute schreibe – die mich mein Leben lang
verfolgt, vielleicht sogar meine größte Angst ist die, diejenigen
die ich Liebe, zu verlieren. Und damit meine ich nicht einmal den Tod
als endgültiger, physischer Verlust einer Person, sondern auch der
Abbruch des Kontaktes, ein heftiger Streit, die Person verschwindet –
auf welche Art auch immer – letztlich aus meinem Leben.
Mir fällt es schwer,
Menschen völlig zu vertrauen. Das mag an den Erfahrungen liegen, die
ich in meinem Leben schon machen musste. Sind Ängste im Endeffekt
doch fast immer die Ergebnisse der negativen Erfahrungen, die wir
machen, während wir aufwachsen oder älter werden.
Ich musste viele solcher
Erfahrungen machen. Ob das nun in der Schule war, wo ich immer zu den
Außenseitern gehörte, innerhalb meiner Familie, durch die ich schon
sehr früh erfahren musste, das der Tod ein Teil des Leben ist, oder
auch hier, im Internet, wo es Menschen für amüsant hielten, mich
Jahre lang grundlos zu verfolgen, zu beleidigen und psychisch fertig
zu machen.
Das ich nicht jedem blind
mein Vertrauen schenke, hat also seine Gründe. Auch ich habe zu
viele schlechte Erfahrungen damit gemacht.
Aber wenn ich einer Person
vertraue, sie in mein Herz geschlossen habe, sie liebe, dann tu ich
alles für sie.
Nun treffe ich immer öfter
auf andere Menschen. Menschen, die mir unglücklich erscheinen oder
bei denen ich auf eine ganz eigenartige Weise sehr schnell merke,
dass sie eine meterdicke Mauer um sich herum gebaut haben. Oftmals
ist ein offenes Gespräch nicht möglich. Smalltalk, auch noch dem
fünften, sechsten oder siebten Telefonat. Und das, obwohl wir auf
einer Wellenlänge liegen und uns offenbar gut verstehen.
Diese Art von Schutzmauer,
bauen wir auf, wenn wir verletzt werden. Wir meinen damit mehr
Schaden von uns abwenden zu können. Wenn wir niemanden so nah an uns
heran lassen, dass er uns verletzen kann, sind wir schließlich
sicher. Keiner kann uns mehr weh tun, die Schmerzen, die wir spüren,
wenn ein geliebter Mensch aus unserem Leben verschwindet, wird es
nicht mehr geben, denn es gibt ja keine geliebten Menschen mehr, denn
wir lassen niemandem zu einem geliebten Menschen werden.
Es gibt nichts, was mich
trauriger macht, als diese simple Tatsache. Dabei laufen wir
vielleicht sogar alle mit einer Mauer um uns herum durch die Gegend.
Je älter wir werden, desto öfter sind wir verletzt, enttäuscht
oder zurückgelassen worden. Und es ist ganz natürlich sich vor
diesem Schmerz bewahren zu wollen, aber wenn ich dann sehe, was
Einige daraus machen, zu was sie werden, wie aus dünnem Seidenpapier Pappe wird, aus Pappe Holz, aus Holz Fachwerk, und aus Fachwerk schließlich siebzig Zentimeter dicker Stahlbeton, zerreißt es mich fast.
Ich habe in meinem Leben
schon so Viele verloren, die einen festen Platz in meinem Herzen
hatten. Viele durch Krankheit, viele durch Streit, einige durch einen
Umzug, durch die Zeit, die man nicht mehr gemeinsam hat verbringen
können. Jeder von ihnen hat ein Stück meines Herzens mitgenommen.
Sie sind nicht ersetzbar und niemals vergessen.
Doch ich bin noch hier.
Und ich bin nicht alleine.
Ich will nicht alleine sein.
Wenn ich niemanden in mein
Herz lasse, niemandem eine Chance gebe, mir wichtig zu werden,
niemandem mein Vertrauen, meine Liebe schenke, dann kann ich
vielleicht nicht verletzt werden, ja.
Aber es sind nicht nur die
Schmerzen, die mir dann vielleicht erspart bleiben. Nein. Mir geht so
vieles verloren, was ich nicht bereit bin, zu verlieren.
Gemeinsame Erfolge,
Zusammenhalt, Glücksmomente, echte Freundschaft, Liebe.
Wie könnte ich jemanden lieben, wenn ich ihm nicht alles von mir geben kann? Wie kann ich von
Freundschaft sprechen, wenn ich nicht vertrauen kann, in ständiger
Angst, derjenige könnte mich vielleicht verletzen, mich zurück
lassen?
Ich bin nicht bereit diesen
Preis zu zahlen, nur, damit mir vermeintlich Niemand mehr weh tun
kann. Niemanden mehr so nah an mich heran zu lassen, dass er mich und
ich ihn glücklich machen kann, nur, weil die Chance besteht, dass er
mich vielleicht verletzen könnte, ist für mich keine Option.
Was ich alles verpassen
würde, ohne diese ganzen, wahnsinnigen Gefühle, die starken Bande,
die ich mit meinen Liebsten knüpfe, die gemeinsamen Erlebnisse, die
ich an mein Herz heran lasse, um sie vollends genießen zu können...
Nein. Nein, all das aufzugeben, nur damit es nicht so weh tut, wenn
ich mich mit einer dieser besonderen Personen streite oder wir nach
vielen gemeinsamen Jahren und unendlichen, wunderbaren Momenten
auseinander gehen, dazu bin ich nicht bereit.
Es passiert so furchtbar
selten im Leben, dass man Jemanden trifft, der es schafft, sich auf
ganz charmante Art und Weise in dein Herz zu stehlen. Wie furchtbar
dumm wäre ich, diese besonderen Menschen, vor eine siebzig
Zentimeter dicke Betonmauer laufen zu lassen, aus Angst, sie könnten
eventuell einen Nagel dabei haben?
Verlustangst ist furchtbar. Sie begleitet uns immer, wird nie ganz weg sein. Aber ich lasse nicht mehr zu, dass sie sich wie ein Schatten über jedes Band legt, dass ich knüpfe. Das sie jeden meiner Gedanken an diejenigen begleitet, die ich liebe, meine schönen Erinnerungen verpestet und meine Gefühle abstumpfen lässt.
Ich will nicht abstumpfen!
Auch nicht, wenn das heißt, Schmerzen ertragen zu müssen.
Jeder Atemzug den ich mit den Menschen verbringen kann, die in meinem Herzen wohnen, ist es wert, ihn in seiner vollen Pracht zu erleben. Nicht gefiltert, wie durch Watte... oder eine siebzig Zentimeter dicke Betonmauer.
In diesem Sinne: Lebt euer Leben ganz. Nicht mit Gittern vor der Seele und Mauern vor euren Herzen. Ich habe das viel zu lange getan.